Meinung

Annalena Baerbock: Nicht dumm, nur narzisstisch?

Wenn Deutschlands Außenministerin mal keine Kriege anzetteln oder zumindest heraufbeschwören kann, sucht sie sich ihre systemischen Rivalen im Inland. In einem aktuellen Fall ist die Wahl auf den Blogger Tim Kellner gefallen.
Annalena Baerbock: Nicht dumm, nur narzisstisch?Quelle: www.globallookpress.com © Soeren Stache / dpa

Von Tom J. Wellbrock

Eines vorweg: Tim Kellner gehört nicht zu der Kategorie Blogger, die ich verehren würde. Eher das Gegenteil ist der Fall. Seine politischen Überzeugungen sind mit meinen nur schwer zu vereinbaren, seine Witze finde ich eher flach, seine Art des Vortrages erzeugt in mir nur wenig positive Resonanz. Gleiches würde er aber womöglich auch über mich sagen. So gesehen alles im grünen (im grünen?) Bereich, da schreibt einer über einen anderen, mit dem er wenig anfangen kann.

Der Strafbefehl gegen Kellner ist aber eine ganz andere Geschichte. In einem (inzwischen nicht mehr auffindbaren) Video soll der Blogger Annalena Baerbock als "dumm" bezeichnet haben. Zudem soll er ihr die Kosenamen "Nigerianische Scheißhausexpertin" und "Außentoastbrot" gegeben haben. Der Beitrag lief unter der Rubrik "Satire", und wenn man bedenkt, wie weichgespült und systemkonform ein Großteil der deutschen Kabarettisten geworden ist, sollte man sich eigentlich über diese bissige Form der Satire freuen (dürfen).

Doch Baerbock konnte offenbar nicht mitlachen und sorgte dafür, dass Kellner "wegen gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung und Verleumdung" zu acht Monaten Haft verurteilt wurde. Gnädigerweise mit der Möglichkeit, in einer dreijährigen Bewährung zu beweisen, dass er solche bösen Sachen nicht mehr macht.

Was sagt uns das?

Ferndiagnosen sind schwierig, aber …

… es spricht trotzdem nichts dagegen, sich aus reiner Neugierde einmal die Definition der narzisstischen Persönlichkeitsstörung anzuschauen:

"Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung ist (dagegen) eine tiefgreifende Störung der Persönlichkeit, bei der ein mangelndes Selbstwertgefühl und eine starke Empfindlichkeit gegenüber Kritik bestehen. Diese Merkmale wechseln sich mit einer auffälligen Selbstbewunderung und übersteigerten Eitelkeit und einem übertriebenen Selbstbewusstsein nach außen hin ab. Letzteres dient den Betroffenen dazu, ihr geringes Selbstwertgefühl zu kompensieren. Darüber hinaus können sie sich schlecht in andere Menschen einfühlen."

Ähnlichkeiten mit der Außenministerin könnten selbstverständlich rein zufällig sein. Auch, wenn man sich den nächsten Absatz anschaut:

"Die Betroffenen neigen dazu, sich nach außen hin als großartig zu präsentieren. Sie betonen zum Beispiel ihre beruflichen Leistungen, treten sehr statusbewusst auf oder haben eine Neigung zu exklusiven Aktivitäten. Oft überschätzen sie dabei ihre eigenen Fähigkeiten oder stellen sie besser dar, als sie es in Wirklichkeit sind. Außerdem neigen sie dazu, zu lügen – mit dem Ziel, Zuwendung und Anerkennung zu bekommen oder aber ihren eigenen Willen durchzusetzen. Wegen ihres geringen Einfühlungsvermögens verhalten sie sich anderen gegenüber oft so, wie sie selbst nicht behandelt werden möchten: Sie beuten andere aus oder zerstören aus Neid deren Leistungen."

Und jetzt habe ich mich doch dazu hinreißen lassen, ein völlig anderes Thema anzuschneiden, das mit Baerbock nichts, aber auch gar nichts zu tun hat. Aber ich kriege die Kurve und verlasse den Hinweis auf die pathologische Natur von Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung auch gleich wieder.

Hat Baerbock recht?

Wir waren ja bei Kellner und dem Strafbefehl gegen ihn wegen Beleidigung. Der Vorwurf bezog sich offenkundig auf seine Behauptung, Baerbock sei dumm. Nun wäre es eine Recherche wert, nach satirischen Beiträgen zu suchen, in denen Politiker als dumm bezeichnet werden. Vermutlich kämen einige zusammen, und vielleicht würde man auch welche finden, bei denen die als dumm bezeichneten Politiker versucht haben, dagegen gerichtlich vorzugehen. Mir persönlich ist aber kein Fall bekannt, in dem jemand gegen die "künstlerische Freiheit" (der Satire) hätte anstinken können.

Um also die Frage der Zwischenüberschrift zu beantworten: In meinen Augen hat Baerbock nicht nur nicht recht, sondern zeigt durch ihre Reaktion auf den satirischen Beitrag, dass sie sich viel zu wichtig nimmt. Wir kennen das: Baerbock präsentiert sich nach außen gern als großartig. Ihre diplomatischen Fähigkeiten, die ja wesentlicher Teil ihres Berufs sind, stellt sie hin und wieder besser dar, als sie tatsächlich sind. Im konkreten Fall Kellner könnte man fast vermuten, dass sie Neid auf einen satirischen Beitrag entwickelt hat und als Reaktion darauf seine Ausbeutung forciert. Schließlich kostet den Blogger diese ganze Nummer in letzter Konsequenz eine ganze Stange Geld.

Da Baerbock aber auf der ganzen Welt die "westlichen Werte" hochhalten und sich mit "systemischen Rivalen" herumschlagen muss, ist es umso bemerkenswerter, dass sie sich mit einer kleinen Satire in der Form beschäftigt, wie sie es tut. Man könnte fast vermuten, dass bei Baerbock ein mangelndes Selbstwertgefühl vorliegt, das, gepaart mit der Unfähigkeit, Kritik anzunehmen, dazu geführt hat, in einer Art Selbstmanipulation eine übersteigerte Eitelkeit und ein übertriebenes Selbstbewusstsein nach außen zu entwickeln. Damit könnte sie dann ihr geringes Selbstwertgefühl kompensieren.

Das große Ganze

Natürlich hält Baerbock Kritik nicht aus. Vermutlich wird sie jeden Tag von sämtlichen negativen Äußerungen über sich abgeschottet, sodass nichts und niemand ihr Selbstbild stören kann. Warum es nun ausgerechnet den Blogger Tim Kellner erwischt hat, darüber könnte spekuliert werden. Aber an dieser Stelle soll die persönliche Fehde Baerbocks gegen Kellner verlassen werden.

Das Beispiel zeigt stellvertretend eine bestimmte Tendenz im Land. Denken wir an die Neufassung des § 130 im Strafgesetzbuch:

"Die Neufassung dient der Klarstellung, dass das Leugnen oder gröbliche Verharmlosen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen unter bestimmten Voraussetzungen strafbar sein kann. Die Ergänzung ist dazu bestimmt, das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen nach Ansicht der Kommission unzureichender Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/913/JI des Rates (November 2008) zu beenden."

Es ist offenkundig, dass mit dieser schwammigen Formulierung der Willkür Tür und Tor geöffnet wird. Und wenn nun auch jeder satirische Beitrag nach Gutdünken potenziell Beleidigter einen Straftatbestand erfüllt, können sich zwar die weichgespülten Kabarettisten zurücklehnen, weil sie ohnehin brav die stiefelleckenden Staatsdiener mimen. Wer allerdings wirklich kritische Beiträge vorträgt, könnte in ernsthafte Probleme verstrickt werden.

Und tschüss, Meinungsfreiheit!

Die Freiheit der Kunst und eben auch der Satire war lange Zeit etwas, das geradezu unangreifbar war. Doch wir dürfen uns nichts vormachen, das ist vorbei, und es wird schlimmer werden. Es ist übrigens bezeichnend, dass mit Baerbock ausgerechnet eine Grüne zeigt, wo der Hammer hängt. Die Grünen haben sich längst selbst enttarnt und als Partei totalitären Denkens und Handelns etabliert.

Was irgendwann einmal mit dem belächelten "Veggie-Day" begonnen hatte und scheinbar von ein paar durchgeknallten Ideologen angeregt worden war, ist zu einem großflächigen Machtapparat geworden, der die gesellschaftlichen und politischen Geschicke des Landes bis in die Kommunen hinein dominiert. Die Tatsache, dass ein inkompetenter Kinderbuchautor in Verkleidung eines Wirtschaftsministers weitreichende und existenziell bedrohliche Verbote aussprechen und Entscheidungen fällen kann, die nicht etwa eine strukturierte und konzeptionell durchdachte Energiewende einläuten, sondern ein ganzes Land deindustrialisieren und die Bevölkerung in akute Notlagen bringen, spricht eine deutliche Sprache.

Bezeichnend: Für die Kommunalwahl in Schleswig-Holstein am 14. Mai 2023 haben die Grünen ganz besondere Wahlplakate entwerfen lassen.

Dieses Plakat gibt es mit unterschiedlichen Themen, aber eines haben sie alle gemeinsam: Sie fragen nichts, sie ordnen an. Sie haben also – mit anderen Worten – entschieden, was die Wähler wollen. Wehe dem, der sich nicht daran hält!

Fehlt der Vollständigkeit halber noch die Antwort auf die Frage, ob Kellner recht hat und Baerbock dumm ist. Die Überschrift dieses Textes vermittelt den Eindruck, sie sei nicht dumm. Ob das der Wahrheit entspricht, ist jedoch nicht abschließend zu beurteilen, denn …

…Ferndiagnosen sind schwierig.

Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Texter, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs "neulandrebellen".

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