Meinung

Das Schweigen der Lämmer – Die UNO und der Betrug von Minsk

Den Vereinten Nationen gehören 193 Staaten an, die zusammen politische Entwicklungen bewerten und mögliche Resolutionen verhandeln. Zu den jüngsten Aussagen ehemaliger leitender EU-Staatslenker zum Thema des Ukrainekonflikts und zur bewussten Behinderung der Minsker Vereinbarungen vermisst man jedoch weiter jede Reaktion.
Das Schweigen der Lämmer – Die UNO und der Betrug von MinskQuelle: Gettyimages.ru © Bob Krist

Von Andrei Rudaljow

Die Vereinten Nationen blieben sprachlos ob der Aussagen der deutschen Ex-Kanzlerin Angela Merkel und des ehemaligen französischen Präsidenten François Hollande bezüglich des eigentlichen Zwecks der Minsker Vereinbarungen. Und das ist verständlich: Es bedarf zumindest des Mutes und der Unparteilichkeit, doch diese Organisation steht seit Langem unter der Fuchtel westlicher Interessen, und deshalb hat sie den Reflex entwickelt, sich in Schweigen zu hüllen und so zu tun, als ginge sie das alles nichts an.

In Wirklichkeit betrifft die Situation aber direkt die UNO, und auf die eine oder andere Weise wird man dort seinen Standpunkt darlegen müssen, denn dieser Bluff ist blutig geworden – mit vielen unvorhersehbaren Folgen. Gehört es nicht zu den Aufgaben der UNO, wenn unter dem Deckmantel eines Feigenblattes von Verträgen ein Pulverfass unter das internationale Sicherheitssystem gelegt und eine Lunte angezündet wird?

Der betrügerische Präzedenzfall von Minsk stellt nicht nur das gegenseitige Vertrauen der internationalen Gemeinschaft in Zweifel, sondern auch den Abschluss irgendwelcher Abkommen, denn eine Partei kann Ziele verfolgen, die den erklärten völlig entgegengesetzt sind. Wenn behauptet wird, dass der Frieden im Fokus steht, obwohl in Wirklichkeit ein Kriegsszenario vorbereitet wird, das man absichtlich provoziert. Die Vereinten Nationen wiederum legitimieren diesen Sachverhalt.

Bisher hat die Organisation ausweichend reagiert. Der offizielle Vertreter des UN-Generalsekretärs, Stéphane Dujarric, ließ die Offenbarungen zu den Minsker Abkommen unkommentiert und verwies die "historische Analyse an Reporter, ehemalige Beamte und Historiker". Was besonders merkwürdig ist. Sollte das als Hinweis verstanden werden, dass die Hauptaufgaben der Organisation ab nun an die Reporter übertragen sind und die UN-Funktionäre sich nur noch um ihre Kunstsammlungen kümmern?

Leonid Sluzki, der Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten der Staatsduma, erinnerte an die anfängliche Beteiligung der Vereinten Nationen an dieser, gelinde gesagt, dubiosen Geschichte: "2015 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Resolution 2202, in der man die Vereinbarungen zur Lösung der internen ukrainischen Krise billigte und zu ihrer vollständigen Umsetzung aufrief." Was danach folgte, ist bekannt: die permanente Sabotage der Vereinbarungen durch Kiew und die Abwälzung der Verantwortung auf die Donbass-Republiken und Russland, woraufhin der Westen seine Sanktionsmaßnahmen gegen unser Land verschärfte. Alles wurde getan, um eine friedliche Lösung des Konflikts unmöglich zu machen.

Nun, nachdem die europäischen "Garantiegeber" der Abkommen die wahren Absichten ihres schmutzigen Spiels enthüllt haben, stellt sich heraus, dass auch die UNO in die Irre geführt wurde. Wobei die momentane Unfähigkeit der Beamten, ihre Einschätzung abzugeben, dem Ansehen dieser Organisation schadet, deren Verhalten dem Schweigen der Lämmer gleicht, hypnotisiert durch die "Flöte Washingtons". Aus diesem Grund hat Sluzki die Funktionäre, die scharfen Fragen aus dem Weg gehen, aufgefordert, sich der "Gründungsgeschichte der UNO" und ihres Vorgängers, des Völkerbundes, zu erinnern, als jene am Vorabend des Zweiten Weltkrieges zu einer völlig hilflosen Institution degradiert worden war.

Genauso geht heute die größte Gefahr für die Vereinten Nationen von der "Flöte" des Hegemonen aus. Diejenigen, die zur Melodie tanzen, werden zu Komplizen, auch wenn sie versuchen, sich jeder Verantwortung zu entziehen. Dieser Tanz ist eine Deklaration eines selektiven Gedächtnisses und einer selektiven Optik, bei denen alles, was nicht in das Weltbild der westlichen Propaganda passt, ausgeblendet und nicht berücksichtigt wird.

Deswegen entsteht das Gefühl, dass dieser stumme Aufzug einer niederträchtigen Merkel-Hollande-Verstellung gerade das Signal dafür ist, es müsse so sein, es sei das Recht der Gauner und der Betrüger, auf dem die westliche Weltordnung beruht. Die UNO steht seit Langem nicht mehr für den Frieden und die Ordnung ein, sondern verteidigt gerade dieses Recht, weil sie zu einem Element des Systems der zirkulären Vetternwirtschaft geworden ist, errichtet durch das "Imperium der Lüge".

Aus den Vereinten Nationen ist ein Chor geworden, der die Bewegungen des US-verzierten Dirigentenstabs verfolgt, um mitzuspielen.

Wir beobachten gerade den Fall, als das Schweigen und die feige Untätigkeit die Zukunftsperspektiven dieser Organisation ernsthaft gefährden können, denn es tauchen unendlich viele Fragen auf. Darunter die, ob sie weiterhin eine wirksame, unvoreingenommene und autoritative globale Struktur ist, die es den Ländern ermöglicht, zu verhandeln und Konflikte zu vermeiden, oder ob sie einfach nur eine Camouflage ist, eine baufällige Dekoration, die ihre Existenz der Trägheit verdankt und ausschließlich Betrug legitimiert, angefangen beim Reagenzglas des Colin Powell bis hin zu den Minsker Abkommen.

Leider zeugt die Minsker Geschichte von Letzterem. Gerade deshalb, wie Sluzki bemerkte, "müssen die Vereinten Nationen endlich eine objektive Auswertung der Handlungen von Hollande und Merkel vornehmen, die von Beginn an in die Irre geführt haben, als sie die Minsker Vereinbarungen unterzeichneten".

Denn es waren Deutschland und Frankreich, die für die Abkommen bürgten, von denen sie zynisch behaupteten, sie seien der Weg zur Lösung des Konflikts, was aber in Wirklichkeit den Weg für mehr Konfrontation und Blut ebnete. Zuvor, im Februar 2014, hatten die Vertreter derselben Länder eine weitere ungeheuerliche Täuschung inszeniert – das mit Wiktor Janukowitsch unterzeichnete Abkommen zur Beilegung der politischen Krise, das nur so lange Bestand gehabt hatte, wie es der Nazi-Junta für die Machtergreifung in der Ukraine nützlich gewesen war. Und alles, um ein zukünftiges Szenario der direkten Konfrontation mit Russland in Gang zu setzen.

Die europäischen Politiker haben es offenbart, dass die Ursache dieser fixen Idee darin besteht, Russland nicht einfach einzudämmen, sondern das Land ins Chaos zu stürzen und nach dem Muster der Perestroika zu defragmentieren. Sie haben bestätigt, dass der Westen seine Schlüsse aus der Geschichte gezogen und das "Projekt Ukraine" mit dem einzigen Ziel ins Leben gerufen hat, unser Land mit diesem Rammbock in einen langwierigen Konflikt zu stürzen.

So gruben sie ein Grab für Russland. Offen bleibt nur, wer darin begraben wird. Merkel und Hollande – erbärmliche Laufburschen im verdienten Ruhestand, mit schwieligen Händen vom Schaufeln – sind plötzlich ehrlich geworden, erinnerten an sich und ihre Verdienste. Selbstverständlich erwarten sie eine verdiente Auszeichnung für ihre Arbeit. Keine Sorge, die Geschichte wird sie beschenken. Insbesondere nach der Antwort auf die Frage des russischen Parlamentariers: "Wie sieht der Westen in den Augen seiner Wähler aus, die jetzt wegen der antirussischen Sanktionen leiden müssen? Und was denkt die UNO darüber?"

Der Westen macht keinen Hehl daraus, dass die Ukraine und die Ukrainer eine äußerst profitable "Investition" sind. Genau das hat auch Hillary Clinton kürzlich gesagt. Diese Karnivore sprach mit derselben hässlichen Grimasse, mit der sie die Aufnahmen des Massakers an Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi genossen hatte. Ihre Äußerungen entsprechen denen von Merkel und Hollande. Diesmal haben sie keine libyschen Rebellen, sondern ukrainische Kämpfer für die Demokratie geschaffen.

Dieses Investitionsprojekt wurde in den Staaten ausgearbeitet, während die europäischen Komplizen und Laufburschen für die Verhüllung des wahren Sinngehalts ihrer Absichtserklärungen und Verpflichtungen sorgten. Die Sache ist einfach und absolut zynisch: So sieht das Geschäft aus, bei dem ganze Länder zum Verbrauchsmaterial gemacht werden, um den Status quo des Hegemonen aufrechtzuerhalten und daraus Vorteile zu ziehen. Die erwartete Antwort der UNO sollte sich auch auf diese Frage beziehen: ob diese Art von Dingen durch die Organisation abgesegnet sind.

Übersetzt aus dem Russischen

Mehr zum Thema "Nicht am Blut der anderen verdienen" – Wiktor Medwedtschuk analysiert den Ukraine-Konflikt

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.